Zum Gedenken an Peter Propping (2017)

Zur Einführung in die Herbsttagung des Leopoldina-Studienzentrums „‘Andersartigkeit‘ und Identität in menschlichen Gesellschaften“ vom 4.-6.10.2016 in Halle (Saale) hielt ich eine kurze Ansprache. Im Folgenden die Passage, die sich besonders auf Peter Propping (1942-2016) bezieht, der diese Tagung mit größtem Engagement initiiert hatte und dem die betreffende Thematik eine Herzensangelegenheit war. Das vollständige Manuskript meines Redetexte kann hier eingesehen werden. 

Als ich 1987 nach Bonn kam, war Peter Propping bereits da. Er wurde zu meinem Glück schon bald Dekan der Medizinischen Fakultät. Obwohl er als Humangenetiker im nun anbrechenden Zeitalter des Rankings, der Impactfaktoren und der Leistungsorientierten Mittelvergabe (LOMV) zum Spitzenreiter bei der quantifizierenden Bemessung wissenschaftlicher Leistung aufstieg, sorgte er dafür, das die Medizingeschichte als einzige Disziplin der Medizinischen Fakultät von der (zumindest für geisteswissenschaftliche Fächer) absurden Impactfaktoren-Zählerei ausgenommen wurde – was übrigens bis heute so ist. Er hat mich auch in anderer Weise des Öfteren beschützt und unterstützt: etwa durch die Abwehr bestimmter Attacken unliebsamer Kollegen oder bei Beschwerden gegenüber der universitären Obrigkeit, wo es um die richtige Wortwahl ging. Er war für mich ein Partner, auf den man sich verlassen konnte: Angstfrei, nüchtern und zugleich begeisterungsfähig, offen auch für kritische Einwände und bittere Wahrheiten. Er war ein recht guter Menschenkenner, der allergisch gegen eitles Auftreten und substanzloses Schwadronieren reagierte, aber diese Allergie als höflicher Mensch nur Nahestehenden zu erkennen gab (oder zuflüsterte, was dann gemeinsames Lachen auslöste).

Er verstand sich als Naturwissenschaftler und hatte doch großen Respekt vor philosophischen und existenziellen Fragen, die er ernst nahm und sozusagen an sich herankommen ließ. Eine Frage trieb ihn besonders um: Wie hätte ich mich selbst in jener Zeit verhalten, als die Humangenetik noch Rassenbiologie bzw. Rassenhygiene hieß? Und wie können wir über jene Zeit – also die Zeit seines eigenen Vaters, der dem Krieg zum Opfer fiel, bevor er geboren wurde – gerecht urteilen, ohne selbstgerecht zu werden? An Peter Propping hat mich vor allem seine wache Selbstkritik beeindruckt, die ihn bei allen professionellen Erfolgen, die er zu verzeichnen hatte, bescheiden und demütig machte. So organisierten wir gemeinsam Anfang der 1990er Jahre eine Vorlesungsreihe im Studium Universale der Universität zum Thema „Biologismus, Rassenhygiene, Eugenik“, die später unter dem Haupttitel „Wissenschaft auf Irrwegen“ erschien und manches von dem, was wir auf dieser Tagung behandeln wollen, schon angesprochen hat.

Zur Tagung siehe auch diesen Beitrag.

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Peter Propping/Heinz Schott (Hg): Wissenschaft auf Irrwegen: Biologismus – Rassenhygiene – Eugenik. Bonn: Bouvier Vergl. 1992

Update vom 26.04.2022

Die Acta Historica Leopoldina Nr. 73 (2019) dokumentiert die Herbsttagung des Leopoldina-Studienzentrums 2016 zum Thema:

‘Andersartigkeit‘ und Identität in menschlichen Gesellschaften

Der Band wurde zum Gedenken an Peter Propping herausgegeben, der die Tagung wesentlich vorbereitet hat. In ihm ist „Eine persönliche Erinnerung an Peter Propping“ enthalten.

Aus: Acta Leopoldina Historica Nr. 73 (2019), S. 9
Nähere Angaben sie hier.