Die Anfänge der Rhein-Universität 1818-1870 (2018)

Im Rahmen der Präsentation der Festschrift „Geschichte der Universität Bonn 1818-2018“ am 15. Oktober 2018 im Festsaal der Universität hielt ich den Kurzvortrag

Die Anfänge der Rhein-Universität 1818-1870.

Im Folgenden zunächst das Programm, anschließend mein Redemanskript sowie die gezeigte PPT-Folie, auf die ich mich eingangs beziehe. 

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Das Programm der Veranstaltung am 15.10.2018 im Festsaal der Universität Bonn

Magnifizenz, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Vorab möchte ich mich bei Frau Rafaela Hiemann, die seit kurzem Zimmer heißt, sowie bei Herrn Dr. Thomas Becker für die unverzichtbare Unterstützung beim Verfassen meines Beitrags zur Festschrift herzlich bedanken.

Springen wir mitten hinein ins volle Studentenleben (Folie). Sie sehen in der Mitte das fröhliche Treiben der „Trierer Tischgesellschaft“, die sich später „Corps Palatia“ nannte. Man kann die Rheinromantik im Hintergrund erahnen. Bei der Frau, die links unten zu sehen ist, handelt es sich sicher nicht um eine Studentin, denn das Vollstudium von Frauen war in Bonn erst ab 1908 möglich. Unterhalb des roten Punkts ist der weltweit (eingedenk Chinas) bekannteste Bonner Student zu sehen: Karl Marx, der in diesem Jahr ebenfalls 200. Geburtstag hat. Rechts oben sehen sie ein Bleistiftporträt des 17jährigen Studenten, das erst kürzlich entdeckt wurde und jetzt in Trier ausgestellt ist. Marx musste wegen „nächtlichen Lärmens und Trunkenheit“ eine Nacht im Karzer verbringen. Für solche Bestrafungen der Studenten war der Universitätsrichter Salomon zuständig (links oben), der hier als Salamander karikiert wurde. In Bonn etablierten sich rasch Studentenverbindungen, so genannte Burschenschaften und Landsmannschaften. Es sei daran erinnert, dass Hoffmann von Fallersleben bereits 1819 als Bonner Burschenschafter die „Bonner Burschenlieder“ herausgab. Im selben Jahr kam es, als Reaktion auf die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch einen Burschafter zur sog. Demagogenverfolgung. Die restaurativen Regierungen im Deutschen Bund versuchten, Aktivitäten von nationalrevolutionären, freiheitlich gesinnten Studenten und Professoren – in Bonn wäre vor allem Ernst Moritz Arndt zu nennen – zu unterdrücken.

Was war nun die Ausgangssituation der Universitätsgründung vor 200 Jahren? Nach dem Wiener Kongress erhielt Preußen die Rheinlande zugesprochen, fortan als Preußische Rheinprovinz bezeichnet. Die Regierung in Berlin hatte gemäß der Konzeption Wilhelm von Humboldts 1810 in Berlin und 1811 in Breslau eine Reformuniversität eingerichtet. Die dritte sollte in der Rheinprovinz etabliert werden, und zwar nicht in Köln, wo man aus konfessionellen Gründen Unruhen befürchtete, sondern in dem beschaulichen, ruhigen Städtchen Bonn. Von Anfang an wollte man eine Volluniversität etablieren. So war die heutige Fakultätsstruktur bereits damals angelegt: Zwei theologische Fakultäten, eine juristische, eine medizinische und eine auch die naturwissenschaftlichen Disziplinen umfassende philosophische Fakultät, von der sich erst 1936 die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät abspaltete. Die bereits 1847 gegründete Landwirtschaftliche Lehranstalt in Poppelsdorf wurde schließlich 1934 als Fakultät in die Universität integriert.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“ Das gilt, wie ich meine, in besonderer Weise für die neugegründete Bonner Universität. Exakte Naturbeobachtung, experimentelle Naturforschung und romantische Naturphilosophie verbanden sich zu einer kreativen Atmosphäre der Forschung und Lehre, wobei Goethe gewissermaßen als Leuchtturm anvisiert wurde, wie man bei dem Physiologen Johannes Müller und dem Botaniker Christian Gottfried Nees von Esenbeck, dem Begründer des Botanischen Gartens, sehen kann. Die naturwissenschaftlichen Disziplinen standen mit denen der Medizinischen Fakultät in regem Austausch – es sei hier an die „Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn“ erinnert, auf deren Sitzung am 4. Februar 1857 etwa der Neandertaler Schädelfund erstmals wissenschaftlich diskutiert wurde. Ebenso kamen in den Geisteswissenschaften („Buchwissenschaften“) in dieser Atmosphäre innovative Impulse zum Tragen. Beispielhaft sei hier auf den Literaturhistoriker und Altphilologen August Wilhelm Schlegel verwiesen, eine legendäre Gestalt der Frühromantik, der 1818 auf den ersten Lehrstuhl für Indologie nach Bonn berufen wurde und zu dessen Hörern neben vielen anderen Heinrich Heine und Karl Marx gehörten. Ich kann hier nur soviel sagen: Das Aufblühen der Geisteswissenschaften war dem der Naturwissenschaften sicher ebenbürtig.

Die Revolution 1848/49 machte sich auch an der Universität Bonn bemerkbar. Studenten und Dozenten beteiligten sich an der demokratischen Bewegung, wobei Gottfried Kinkel, apl. Professor für Kunst- und Literaturgeschichte, zur Symbolfigur wurde. Doch auf diesen spannenden, wenngleich relativ erfolglosen Versuch der politischen Emanzipation kann ich hier nicht eingehen. Für die Geschichte unserer Universität wichtiger war der konsequente Ausbau der Universität und die Ausdifferenzierung der Fächer nach der Jahrhundertmitte. So hatte beispielsweise von 1855 bis 1858 Hermann von Helmholtz noch den Lehrstuhl für Anatomie und Physiologie inne, der nach seinem Weggang aufgespalten wurde. Bis 1870 hatte sich Bonn zu dem entwickelt, was wir heute wahrscheinlich als Eliteuniversität bezeichnen würden – damals noch ohne Exzellenzcluster und Exzellenzstrategie.

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Die projizierte Folie, auf der sich der Text eingangs bezieht

Anmerkung vom 17.10.2018:

Die Uni Bonn hat auf ihrer Homepage („News“) einen Bericht über die Präsentation der Festschrift publiziert.

Der Bericht von Rüdiger Franz im General-Anzeiger vom 17.10.2018 geht näher auf die Redebeiträge der einzelnen Referenten ein. Zu meinem Beitrag findet sich folgende Passage:

„Damit war der Reigen für die Referenten eröffnet, die sich am Montag auf ein winziges Exzerpt ihrer aufwendigen Kernbohrungen beschränken mussten. So blätterte Medizinhistoriker Heinz Schott das Familienalbum auf und präsentierte einen jungen Jurastudenten, der als Mitglied des heutigen Corps Palatia unbekümmert den Bonner Karzer kennengelernt hatte: Ein gewisser Karl Marx, und nur einer unter all den Zahllosen, die nach dem Studium in Bonn einen großen Namen trugen.“

Vortrag zur Ausstellung „Bonner Studenten 1818-1918“ (2018)

Diesen Vortrag hielt ich am 19. Januar 2018 zum Auftakt der 200-Jahrfeier der Universität Bonn im Rahmen des ersten Themenblocks „Geschichte der Universität und ihre Rolle in der Gesellschaft“. Er schloss sich an die Eröffnung der Ausstellung „Bonner Studenten 1818-1918“ im Universitätsmuseum an, die dessen Leiter Dr. Thomas Becker kuratiert hatte.

Der Vortrag stützt sich auf einen früheren Vortrag zum selben Thema, den ich 2011 in einer Vortragsreihe gehalten habe, der dann auch veröffentlicht wurde. Näheres in diesen Blog-Beitrag

Zu meinem Vortrag im Hörsaal I erschienen etwa 20 Hörer, die sich in dem riesigen Hörsaal verteilten — keine sehr angenehme Situation für einen Redner, der auf einem Podium hinter einem Katheter steht und seine Botschaft in einen fast leeren Raum hinein zu verkünden hat. 

Im Folgenden der Text des Vortragsmanuskripts sowie hier die dazugehörige Powerpoint-Präsentation zum Herunterladen. Die PPT-Präsentation hier als PDF.

 

Vortrag zur Ausstellung „Bonner Studenten 1818-1918“[1]

Zunächst möchte ich einige Vorbemerkungen vorausschicken. Den im Vortragstitel angegebenen Zeitraum (1818-1918) habe ich etwas eingegrenzt: Ich werde mich hauptsächlich auf die ersten Jahre und Jahrzehnte nach der Universitätsgründung von 1818 konzentrieren. Insofern spielt die Gender-Problematik in meinen Vortrag kaum eine Rolle. Denn erst zum Wintersemester 1908 immatrikulierten sich erstmals 70 Frauen als „ordentliche“ Studentinnen an der Universität, nachdem im selben Jahr das Immatrikulationsrecht für Frauen an preußischen Universitäten eingeführt worden war.[2] Aber bereits ein Jahrzehnt zuvor, zum Wintersemester 1896/97, hatten sich 16 Frauen als „Gasthörerinnen“ eingeschrieben, von denen zwei im Jahr 1903 als erste Frauen in Bonn promovierten.[3] (Heute ist das weibliche Geschlecht in der Überzahl bei den „Studierenden“ – dieser Ausdruck war bereits im 19. Jahrhundert geläufig, wie ich von Thomas Becker, dem Leiter des Universitätsarchivs, weiß.)

Sodann möchte ich anmerken, dass sich mein Vortrag auf die heute Nachmittag eröffnete Ausstellung im Universitätsmuseum bezieht, die Thomas Becker organisiert hat. Das Museum befindet sich wenige Schritte von hier, in der sie die gesamte Entwicklung von 1818 bis 1918 im Einzelnen studieren können.  Wie gesagt nehme ich vor allem die Anfangszeit in den Blick, und möchte dabei als ortsansässiger Medizinhistoriker auf die Medizinische Fakultät und einige mit ihr verbundenen naturwissenschaftlichen Disziplinen etwas näher eingehen.

Zur politischen und geistesgeschichtlichen Situation

Als 1818 die Bonner Universität in der preußischen Rheinprovinz gegründet wurde, geschah dies in einer politischen, kulturellen and nicht zuletzt wissenschaftlichen Umbruchzeit. Napoleon war geschlagen, die Restauration hatte sich mit dem Wiener Kongress 1814/15 durchgesetzt und das Rheinland war Preußen zugesprochen worden. Die preußische Rheinprovinz war geschaffen, die Voraussetzung für den späteren „Kulturkampf“ zwischen der katholischen Kirche im Rheinland und den protestantischen Machthabern in Preußen. Die rheinische Bevölkerung betrachtete die die Preußen von Anfang an mit Skepsis, was sie nicht zuletzt im Karneval zum Ausdruck brachte. In kultureller Hinsicht zeigte sich etwas sehr Interessantes: Die Französische Revolution, die auf das Rheinland ausstrahlte und zu einer ersten demokratischen Bewegung – etwa in Form von Jakobiner-Clubs – auf deutschem Boden animierte, hatte durch Napoleon zu einer gewissen Emanzipation der Bürger geführt. Trotz der unliebsamen französischen Besatzung schätzte man die französische Kultur und Lebensart, so dass sich im Rheinland verglichen mit östlicheren Regionen Deutschlands der Franzosenhass in Grenzen hielt. Im Grund fühlte man zu Berlin keine größere Bindung als zu Paris, das geographisch ohnehin näherlag. Auch wissenschaftlich können wir von einer Umbruchzeit sprechen. Die neuen naturwissenschaftlichen Disziplinen konstituierten sich an den mittel- und westeuropäischen Universitäten ebenso wie die neuen geisteswissenschaftlichen.

In diese Umbruchzeit hinein wurde die Bonner Universität als dritte preußische Reformuniversität gegründet, nach den Universitäten in Berlin (gegründet 1810) und Breslau (gegründet 1811). Sie wies zunächst drei Standorte der Lehre, Forschung und Krankenversorgung auf: Universitätshauptgebäude, Anatomisches Theater und Poppelsdorfer Schloss. (Folien 2-4) Es ist sehr bemerkenswert, dass der Aufbruch in Medizin und Naturwissenschaften damals von zwei Strömungen geprägt war, nämlich von der romantischen Naturphilosophie einerseits und der empirischen Naturforschung andererseits. Zudem waren der Deutsche Idealismus und die Weimarer Klassik auf ihrem Höhepunkt angelangt und beflügelten vor allem die Geisteswissenschaften. So gab es an den en deutschen Universitäten eine einzigartige geistige Situation, die bis heute mit dem Namen des Berliner Sprachwissenschaftlers und Bildungsreformers Wilhelm von Humboldt verknüpft ist, auf deren Grundlage die deutsche Wissenschaft gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu ihrer Weltgeltung gelangen sollte. In Bonn spiegelte sich diese Aufbruchstimmung sehr deutlich wider. So wurde 1818 der Literaturhistoriker und Indologe August Wilhelm Schlegel, eine legendäre Gestalt der deutschen Geistesgeschichte, als Professor für Literatur berufen, der dem illustren Kreis der Jenaer Frühromantik angehört hatte. Gleichzeitig erhielt der Botaniker Christian Gottfried Nees von Esenbeck einen Ruf nach Bonn und richtete den Botanischen Garten am Poppelsdorfer Schloss ein, dessen Grundzüge heute noch erhalten sind. Nees wurde schon vor seinem Wechsel nach Bonn 1818/19 zum Präsidenten der Leopoldina gewählt und so wurde Bonn Sitz dieser Akademie bis zu seinem Weggang nach Breslau 1830. Die Bibliothek der Leopoldina, die sich heute vollständig in Halle befindet, war seinerzeit im Poppelsdorfer Schloss untergebracht. (Folien 5 u. 6)

Nees von Esenbeck war von naturphilosophischen Ideen erfüllt, mit denen er als Student in Jena Bekanntschaft gemacht hatte. Er war ein hervorragender Kenner des so genannten animalischen Magnetismus oder Mesmerismus und er veröffentlichte 1820 in Bonn seine „Vorlesungen zur Entwickelungsgeschichte des magnetischen Schlafs und Traums“. (Folie 7) Überhaupt waren die Spekulationen des animalischen Magnetismus in Bonn ein ernsthaftes Thema des wissenschaftlichen Diskurses, da das „Archiv für den thierischen Magnetismus“ zwischen 1817 und 1823 von zwei Bonner Professoren mit herausgegeben wurde, zunächst von dem Internisten Friedrich Nasse und dann von Nees von Esenbeck. Es passt zu diesem naturphilosophischen Diskurs, dass Josef Ennemoser 1819 als Professor für Medizin und speziell für den „thierischen“ Magnetismus nach Bonn berufen wurde, „um die heilige Sache des Magnetismus“ im Rheinland zu vertreten, wie es der politisch einflussreiche Berliner Arzt David Ferdinand Koreff formulierte.[4] (Folien 8 u. 9)

 Studentenverbindungen: Burschenschaften und Landsmannschaften

Die ersten Studenten kamen aus der nächsten Umgebung Bonns und „wussten nichts von Landsmannschaften, von Corps, von Burschenschaften und studentischen Vereinigungen. Sie verbanden die Idee der Universität mit dem Studium dicker Bücher und nicht mit dem fröhlichen Zechen in Kneippgemeinschaften und dem Kitzel frühmorgendlicher Duelle um Ehre und Liebschaften.[5] Dies sollte sich bald ändern. Der Burschenschafter Karl Ludwig Sand ermordete am 23. März 1819 den Schriftsteller August Von Kotzebue in Mannheim, was die geheimen „Karlsbader Beschlüsse“ zur „Überwachung und Bekämpfung liberaler und nationaler Tendenzen im nach-napoleonischen Deutschland“ zur Folge hatte und die sogenannte Dämagogenverfolgung auslöste, die bis 1848 in verschiedenen Wellen aufbegehrende Studenten, Dozenten  und Professoren unterdrücken sollte. Sand gehörte der im Umfeld des Wartburgfests 1817 in Jena gegründeten Ur-Burschenschaft an. Infolgedessen untersagte die preußische Obrigkeit ihren Untertanen das Weiterstudium an der Universität Jena, sodass
sich eine Reihe von Jenaer Studenten zum Sommersemester 1819 an der neuen
Bonner Universität immatrikulierte. So gelangte die Burschenschaftsbewegung
nach Bonn. Sie war im Unterschied zu den traditionellen, aus dem Mittelalter stammenden „Landsmannschaften“ (nationes) von den Idealen der Französischen Revolution begeistert, wollte alle Studenten umfassen und zielte auf bürgerliche Freiheiten, soziale Gleichheit und vor allem auf die nationale Vereinigung Deutschlands ab. In diesem Sinne wurde im Mai 1819 in Bonn die Burschenschaft „Allgemeinheit“ gegründet, die verschiedene Erinnerungsfeierlichkeiten, etwa an die Völkerschlacht bei Leipzig (1813) am 18. Oktober ausrichtete[6]. An jener Feier nahm übrigens auch ein gewisser Student Harry (ab 1825 Heinrich) Heine teil.[7]

Man beauftragte den damaligen Studenten August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-18749 mit der Ausarbeitung einer Satzung. Er war seinem Lehrer Friedrich Gottlieb Welcker, dem klassischen Philologen und Archäologen und Gründer der Bonner Universitätsbibliothek, 1819 von Göttingen nach Bonn gefolgt, nachdem er mit Jcaob Grimm in Kassel zusammengetroffen war. Hier in Bonn war Ernst Moritz Arndt einer seiner Dozenten. (Folien 10 u. 11) Hoffman von Fallersleben wurde Mitglied der „Alten Bonner Burschenschaft“[8]. Für diese auch „Die Allgemeinheit“ genannte Verbindung gab er noch im selben Jahr (1819) die „Bonner Burschenlieder“ heraus, das als deren Kommersbuch diente. Unter den insgesamt 136 Texten (u. a. Von Goethe, Kerner, Uhland, Arndt) finden sich zwei eigene unter dem Pseudonym P. Siebel[9]. Hier die Schlussstrophe des Liedes „Auf einer Rheinfahrt“:

„Schon hinter uns birgt sich im Nebelgrau
Das Siebengebirge so ferne,          .
Es schließt sich die reizende üppige Schau,
Schon senket sich nieder der nächtliche Tau,
Schon flimmert der Mond und die Sterne.
Wer tummelt sich so in die Nacht herein?
Das sind nur die fröhlichen Burschen am Rhein[10].“

In einem anderen Lied Hoffmanns kommt sogar Kessenich vor:

„Was mag da drüben wohl schweben
Am kessnicher Hügelland?
Es weilt an den sonnigsten Reben,
Nimmt Trauben von Mädchens Hand
Das sind nur die Burschen vom Rhein,                                    ‚
Sie kommersiren in – –
Hahaha, hahaha, heidideldei!
Juchhei, tralalei!
Sie kommersiren in Wein[11].“                                                                   .

Hoffmanns Lebenserinnerungen geben einen wunderbaren Einblick in das Bonner Studentenleben der Gründergeneration.

Heinrich Heine, den wir bereits erwähnt haben, war am meisten von seinem Mentor August Wilhelm Schlegel beeindruckt. An einen Freund schrieb er, dass er in Bonn gelegentlich „schöner Busen halber […] die Musen vernachlässigt habe“, worauf auch sein Widmungsvers an einen unbekannten Empfänger hinweist:

„Hast du vertrauten Umgang mit Damen,
Schweig‘, Freundchen, still und nenne nie Namen:
Um ihretwillen, wenn sie fein sind,
Um deinetwillen, wenn sie gemein sind.
Bonn. 1820. Harry Heine[12].“

Gegenüber der Burschenschaftsbewegung verfolgten die Landsmannschaften andere Ziele. Sie hielten traditionelle Rituale des „Pennalismus“ aus der frühen Neuzeit in Ehren, die mit dem Schikanieren von „Füchsen“ einherging und Handgreiflichkeiten gegen „Philister“ nahe legte. Auch ritualisierte Feiern, oft üble Saufgelage („Kneipen“) gehörten      dazu. So bildete sich in Bonn eine „Kneipgemeinschaft“, die „Rhenania“. Dieser landsmannschaftliche Zirkel hatte unter den ca. 300 Bonner Studenten des Sommersemester 1819 nur relativ wenige Mitglieder, die meisten schlossen sich den Burschenschaften an. Durch die bereits erwähnten Karlsbader Beschlüsse kam es zur polizeilichen Überwachung der Universitäten und zur Suspendierung von Professoren. Für Bonn bedeutete dies, dass der polizeiliche Druck auf die Burschenschaft „Allge-
meinheit“ zunahm und zudem Ernst Moritz Arndt suspendiert wurde, der eine Professur für Geschichte innehatte. Die „Demagogenverfolgung“ führte zu einer Austrittswelle bei der Burschenschaft, wovon die Landsmannschaften, die sich nun als Corps bezeichneten, profitierten. So wurden im Mai 1820 die Studenten-Corps Rhenania und Guestphalia gegründet. (Folie 12-14//15) Als kurze Zeit später die „Allgemeinheit“ aufgelöst wurde, schlossen sich die Burschenschafter mit den Farben Schwarz-Rot-Gold unter dem Namen Germania zusammen. Die studentischen Corps und die Burschenschaften, beide nun vertreten in Bonn, wurden aufgrund der politischen Repression stark in ihren Aktivitäten beschnitten, den Mitgliedern drohten akademische Strafen (Karzer, Universitätsverweis) oder gar offizielle Haftstrafen.

Die Einzelheiten der weiteren Entwicklung der Bonner Studentenverbindungen sollen hier nicht detailliert wiedergegeben werden, etwa die „Schlacht von Endenich“ am 8. Januar 1821, in der es zu einer Massenschlägerei zwischen Burschenschaftern der Germania mit Corps-Studenten der Rhenania and Guestphalia kam. (Folie 16) Es ist von abgeschlagenen Nasen und anderen blutigen Blessuren die Rede[13]. Tatsache ist, dass die studentischen Vereinigungen im Vormärz streng observiert und teilweise verboten wurden. Ihr öffentliches Auftreten wurde erschwert, Farbentragen war untersagt. Die Studenten ersetzten die Couleur-Abzeichen (Band, Mütze, Fahne) jedoch durch entsprechend gefärbte Kleidungsstücke, womit sie sich in karnevalesker Form in der Öffentlichkeit zeigten und damit die Obrigkeit provozierten[14]. Heute haben wir etwa 50 aktive Korporationen in Bonn, die größtenteils in überregionalen Verbänden organisiert sind, etwa im 1848 gegründeten Kösener Senioren Convents-Verband (KSCV), dem die ältesten Corps in Bonn angehören.

Die Corps Rhenania und Guestphalia habe ich schon erwähnt. Eine besondere Bedeutung erlangte die Borussia, die mit dem preußischen Königshaus besonders eng verbunden war. Hierher wurden die Prinzen zum Studieren geschickt, unter anderem der spätere Kaiser Wilhelm II. So wurde in der Kaiserzeit von der „Prinzenuniversität“ Bonn gesprochen  (Folien 17-19) Es existieren zeitgenössische bildliche Darstellungen der Mensuren. (Folien 20 u. 21) Der heute weltweit (wenn wir China mit einbeziehen) bekannteste deutsche Akademiker des 19. Jahrhunderts ist wohl Karl Marx (1818-1883). Er studiert 1835/36 in Bonn Jura und schloss sich vermutlich Ende 1835 der Landsmannschaft der Treveraner (Trierer) an, die sich am 10. August 1838 als Corps Palatia etablierte[15]. (Folien 22) Marx schlug in Bonn offensichtlich über die Stränge, wie überhaupt die Treveraner als trinkfeste und randalierfreudige Studenten galten: „Wegen ruhestörenden Lärms und Trunkenheit wurde er arretiert und machte anschließend Bekanntschaft mit dem Karzer (Studentengefängnis). Die Chronik berichtet, daß Marx über seinem Schreibtisch bis zuletzt Band, Mütze und Schläger hängen hatte, die Insignien seiner Studentenverbindung[16].“ Angeblich kann man Karl Marx auf der Lithographie Trierer Tischgesellschaft vor dem Weißen Ross in Godesberg (1836)[17] sehen (hintere Reihe, dritter von rechts), wahrscheinlich die früheste Abbildung von Karl Marx. So könnte es bei Karl Marx auf der Bude ausgesehen haben. (Folie 23)

Was war nun das Studentenideal? Es kamen ans heutiger Sicht recht unterschiedliche Strömungen zusammen: Ideale der Französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), romantische Gefühle der Naturverbundenheit (Rheinromantik), wissenschaftliche Aufbruchstimmung als Mitglieder einer Reformuniversität, und nicht zuletzt Sehnsucht nach Freiheit und nationaler Einheit. Es war bezeichnenderweise der ehemalige Bonner Burschenschafter Hoffmann von Fallersleben, der dann 1841 auf Helgoland das „Deutschlandlied“ verfasste.

Zum akademischen Unterricht in Bonn

Wie sah die Lehre an der neu gegründeten Universität aus? Das lässt sich beispielhaft am medizinischen Curriculum zeigen. Friedrich Nasse, ein Schüler des berühmten Hallener Medizinprofessors Johann Christian Reil, wurde 1819 als Direktor der Medizinischen Klinik nach Bonn berufen, die er in der Einheit von „Hospital- und Poliklinik“ bis zu seinem ‚Tod 1851 leitete und die im Südwestflügel des heutigen Universitätshauptgebäudes untergebracht war. (Folie 24) Die Klinik hatte 30 Betten. „Zum Dienste sämtlicher Kranken sind der Direktor der Anstalt, zwei Assistenzen, von denen einer ein geprüfter Arzt sein muss, and ein auf Aderlassen, Schröpfen usw. eingeübter Diener.[18]

Nasse führte die seinerzeit modernste physikalische Diagnostik in die Krankenbehandlung und den klinischen Unterricht ein (u.a. Stethoskop, Thermometer, Mikroskop). Er verknüpfte die Krankenbehandlung mit  dem klinischen Unterricht, sodass wir hier von einer Art bedside teaching sprechen können,  Die  Kursgröße von 1824 betrug 24 Studenten.  Die Aufgabe der sogenannten pathologischen Übungen war es, die Studenten „nun am Krankenbette beobachten und untersuchen, sie was dem Arzte so Noth tut, sehen zu lehren, Aeusseres and Inneres.“ Studenten durften den Professor auch bei Hausbesuchen begleiten. Ob sie dabei Schnupftabak benutzten, ist nicht bekannt. In der „Medicinischen Topographie“ von Dr. Velten ist nämlich zu lesen, dass der
Schnupftabak „für manche Stände, besonders für Ärzte, die sich in den Hütten der Armen herumtreiben und ekelhaften Gerüchen ausgesetzt sind, ein Mittel [ist], diese unangenehmen Eindrücke erträglich zu machen[19].“

Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Kooperation des Klinikers Nasse mit dem Psychiater Maximilian Jacobi, der die erste „Irren-Anstalt“ der Rheinprovinz in Siegburg 1825 eröffnete. (Folie 25) Die Studenten erhielten die damals in Deutschland einzigartige Möglichkeit, praktische Erfahrung mit Geisteskranken zu machen. Das „Siegburger Hauspraktikum“ wurde Medizinstudenten höherer Semester der Universität Bonn als ein vierwöchiger praktischer Kurs angeboten. Hierzu mussten sie eine Vorprüfung absolvieren. Für den Aufenthalt in Siegburg erhielten sie eine Unterstützung von 20 Talern aus Universitätsmitteln. Während des Praktikums lernten sie die wichtigsten psychiatrischen Krankheitsbilder ans eigener Anschauung kennen[20].

Zu den Bonner Innovationen in der Lehre gehörte auch die Gründung des ersten naturwissenschaftlichen Seminars in Preußen im Jahr 1825[21]. Fünf Professoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen, darunter Nees Von Esenbeck, entwarfen ein integriertes Studium von Physik, Chemie, Mineralogie, Biologie und Zoologie. Die damit verbundenen (und z. T. heute noch existierenden) Institute und Sammlungen einschließlich des Botanischen Gartens erlaubten den Studenten einsch1ägige Praktika und umfassende Studien- und Forschungsmöglichkeiten. Das Poppelsdorfer Schloss bildete gewissermaßen ein „integriertes Groß-Institut für Forschung und Lehre in der Naturwissenschaft“[22].

Exkurs: Johannes Müller, ein Bonner Student und Professor

Johannes Müller ist sicher der bedeutendste Mediziner, den die Bonner Universität im 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. 1801 in Koblenz geboren, studierte er Medizin in Bonn und Berlin und habilitierte sich mit 23 Jahren in Bonn für die Fächer Anatomie und Physiologie. 1827 wurde er hier außerordentlicher Professor und 1830 Ordinarius. (Folien 26-28) 1833 folgte er einem Ruf nach Berlin, den er bis zu seinem relativ frühen Tod 1858 innehatte.  Ich will hier nicht auf das Lebenswerk und die überaus große Wirkung dieses Naturforschers näher eingehen, sondern nur eine Episode aus seiner Bonner Studienzeit wiedergeben und seine anschließende Tätigkeit als Dozent bzw. Professor streifen.

1820 stellte die Medizinische Fakultät die Preisaufgabe, „daß durch Beobachtungen und Experimente bei lebenden Tieren festgestellt werden solle, ob im Foetus, solange er im Uterus verweilt und von seinen Eihüllen umschlossen ist, eine Atmung stattfinde[23].“ Der 20jährige Student ging daran, diese Aufgabe zu lösen. 57 Vivisektionen führte er an Kaninchen, einer Katze und einem Schaf durch. „Um Material für seine Versuche zu bekommen, durchstreifte Müller mit seinen Genossen oft zu Pferde die ganze Umgebung von Bonn, so daß man ihn auf den Bauernhöfen schon kannte … So hatten die fröhlichen Burschen einst einen Ritt an die Ahr gemacht und, während sie in der schattigen Laube des Wirtshauses den rubinroten Ahrwein schlürften, fiel der Blick des jungen Forschers auf eine herumschleichende Katze, die ihre Mutterschaft nicht verleugnen konnte. Sofort rief er die Genossen zusammen, um Mittel und Wege zu finden, wie er sich in den Besitz des kostbaren Tieres setzen könne. Nach einer Verabredung wurde von den andern ein Streit inszeniert, durch den die Aufmerksamkeit des Wirtes abgelenkt wurde, währenddessen hatte Hannes der Große die Katze gepackt, sie in den Sack gesteckt und wohlverschnürt hinten an seinen Sattel gebunden, so jagte er mit ihr davon nach Bonn.“ Müller erhielt den Preis, seine Preisschrift wurde 1823 veröffentlicht[24]. Aber Müller war sicher kein blutrünstiger Experimentator. In seiner Antrittsvorlesung von 1824, die er als 23jähriger frischgebackener Privatdozent im gerade neu errichteten Anatomischen Theater hielt (dem heutigen Akademischen Kunstmuseum), legte er eine recht behutsame Einstellung gegenüber dem Tierversuch an den Tag. Er gab der Naturbeobachtung – ganz im Sinne des von ihm verehrten Goethe – den Vorrang gegenüber dem Versuch: „Die Beobachtung schlicht, unverdrossen, fleißig, aufrichtig, ohne vorgefaßte Meinung; – – der Versuch künstlich, ungeduldig, emsig, abspringend, leidenschaftlich, unzuverlässig, […] Man darf die Natur nur auf irgend eine Weise gewalttätig versuchen; sie wird immer in ihrer Not eine leidende Antwort geben[25].“

Müller veröffentlichte in Bonn als junger Privatdozent und dann Professor eine Reihe von wichtigen Monographien, insbesondere zum Gesichtssinn und zur Entwicklungsgeschichte der Genitalien. (Folien 29 u. 30) Seine Verehrung Goethes ist bemerkenswert (und durchaus zeittypisch). 1824 wurde Müller in die Leopoldina aufgenommen und sogleich zu ihrem Sekretär unter Nees von Esenbeck bestellt, was vermuten 1ässt, dass zwischen beiden ein gutes persönliches Verhältnis bestanden hat. „Hierfür erhielt er ein sehr willkommenes Entgelt von jährlich 200 Talern“[26]. Dieses Zubrot verlor Müller 1830, als Nees nach Breslau zwangsversetzt wurde und mit ihm der Sitz der Leopoldina umzog. Das dürfte Müller in seinem Entschluss, sich um einen Ruf nach Berlin zu bewerben, bestärkt haben.

Versuch eines historischen Durchblicks auf heute

Im frühen 19. Jahrhundert führte die Humboldt’sche Universitätsreform in Preußen zu einer Neuausrichtung der akademischen Lehre. Das Bildungsideal nach dem Motto „Bildung zur Selbstbildung“ wurde hochgehalten. Wilhelm von Humboldt schrieb im Dezember 1809 in seinem Bericht an den preußischen König: „Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf[27].“ Und weiter schrieb er: „Der wahre Zweck des Menschen […] ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlässliche Bedingung.“

Wahrscheinlich war diese „Bildung“ damals nicht nur das Ideal wohlmeinender Professoren, sondern auch das vieler Studenten. Dieses verstand sich jedoch nicht als eine l‘art pour l’art. Denn die Gründungsgeneration der Bonner Studenten hatte – zusammen mit manchen ihrer Lehrer – eine politische und z.T. sozialreformerische oder gar revolutionäre Mission vor Augen. In der demokratischen vaterländischen Bewegung übernahmen Studenten die Rolle der Avant-garde. Hierbei spielten das gesellige Beisammensein und der geistig-freundschaftliche Gedankenaustausch eine wichtige Rolle. Das Hambacher Fest von 1832 war ein Höhepunkt des studentischen Selbstbewusstseins im Vormärz. Keine Frage: Die Politik spielte eine zentrale Rolle im Studentenleben. Die Verbindung mit den Professoren war insofern eng, als die Studentenzahlen gering waren und die Universität als eine gemeinsame Körperschaft mit eigene Ritualen und Gesetzmäßigkeiten gegenüber der übrigen Gesellschaft auftrat und von dieser so empfunden wurde. Hier entfaltete sich eine Art „Parallelgesellschaft“. (Folien 31-33)

Die weitere Entwicklung des Studentenlebens in Bonn, die ich hier nur flüchtig streifen kann, war eingebettet in die politische und soziale Entwicklung an der Universität Bonn als staatliche Einrichtung in der preußischen Rheinprovinz.  Ich verweise hier auf die Ringvorlesung „Geschichte im Fritz’Café“ (begleitende Veranstaltung zur Festschrift), insbesondere auf den Vortrag von Dr. Becker „Die Universität Bonn in der Revolution 1848“ am 24. Januar,  sowie den Vortrag von Prof. Geppert „Glanz und Elend der Hohenzollern. Bonn als Prinzen-Universität“ am 7. Februar, womit die Zeit bis 1918 abgedeckt wäre.

Im Rückblick auf die von mir geschilderte Anfangszeit der Bonner Universität könnte man fragen: Was ist das Studentenideal heute? Welchen Wert haben überhaupt noch das studentische Zusammenleben und das persönliche Lehrer-Schüler-Verhältnis im Zeitalter von Internet und Wikipedia, digitalen Bibliotheken und genormten Curricula, zentralen Prüfungen und elektronischer Studienplatzvermittlung etc.?

Trotz Bologna-Prozess und Okonomisierung ist nach meinem Eindruck die idealistische Utopie der abendländischen Universität im Allgemeinen und der Humboldt’schen Universitätsreform im Besondern noch nicht ganz tot. Sie lebt sozusagen unterschwellig, subkortikal, weiter, als Sehnsucht nach einer wahrhaftigen Gemeinschaft von Wissbegierigen (curiosi) im Dienste emanzipatorischer Wissenschaft.

Wir haben eingangs gehört, dass die Studentenverbindungen genau das taten,
was die Universitäten nach der Humboldt’schen Reform selbst nicht mehr bewerkstelligen konnten, nämlich zu einem Gemeinschaftsleben erziehen. Auch hier könnten wir uns fragen: Wo und wie findet die heutige Sozialisation der Studenten statt? Natürlich gibt es punktuell auch heute noch studentische Verbindungen, Clubs, Vereine, Hochschulgemeinden etc. Aber stellen sie im Rahmen der modernen Massenuniversität nicht eher ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten dar? Wie steht es heute mit der von Rudolf Virchow im Geiste der 1848er Revolution gepriesenen Quaternität von Bildung, Demokratie, Freiheit und Wohlstand? Ist man sich solcher Forderungen unter den Studierenden und ihren Lehrern als eine Verpflichtung der Universität gegenüber der Gesellschaft noch bewusst? Wie steht es mit dem offenen Gespräch, der Einübung in eine demokratische Diskussionskultur?  Ich bin kürzlich bei einem Spaziergang durch die Nordstadt etwas nachdenklich geworden, als ich zufällig auf folgende Wandmalereien stieß. (Folien 34 u. 35) Auf eine politische Wertung solcher Auseinandersetzungen möchte ich hier verzichten.

Kommen wir noch einmal zum Schluss auf die Prinzenuniversität zurück. (Folie 36 u. 37) Sie lebt gerade in der närrischen Saison, wie sie im Augenblick gefeiert wird, in etwas veränderter Form bis heute weiter, wie sie meiner letzten Folie entnehmen können.  (Folie 38)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


[1] Vortrag zur ersten Auftaktveranstaltung der 200-Jahr-Feier der Universität Bonn am 19.01.2018

[2] https://www.uni-bonn.de/neues/Wenn-Weiber-studieren (11.01.2018).

[3] https://www.gleichstellung.uni-bonn.de/gleichstellungsbuero/perspektive_wissenschaft/vorbilder (11.01.2018)

[4] Heinz Schott, Medizin um 1800 und die Pionierzeit der Bonner Fakultät, in: Medizin, Romantik und Naturforschung, Bonn im Spiegel des 19. Jahrhunderts, Bonn 1993, S. 19.

[5] Thomas Becker,  Bonner Studenten  zwischen  Restauration  und  Revolution, in:  Das  Band. Nachrichtenblatt der Bonner Westfalen I 15 (2010), S. 7458 -7462, hier S. 7459 f.

[6] Becker (wie Anm. 2), S. 7459 f.

[7] Ingrid Bodsch, Heinrich Heine und die Bonner Universität bei Aufnahme seines Stadiums im W 1819/20, in: Harry Heine stud. juris in Bonn 1819/20. Zum ersten Studienjahr Heinrich Heines (1797 – 1856) und zur Bonner Stammbuchblätterfolge von ca. 1820 des stud. med. Joseph Neunzig (1797 -1877). Begleitbuch zur Ausstellung mit dem vollständigen Abdruck aller Albumblätter  ans  dem Stammbuch von  Isaac  Coppenhagen und der uns zusätzlich bekannten (topographischen)  Motive aus der Bonner Stammbuchblätterfolge von Joseph Neunzig von ca. 1820, hrsg. von Ingrid Bodsch, Bonn 1997 , S. 9 – 36, bier S. 12 – 16. Heine nahm erst nach seiner Taufe 1825 den Vornamen „Heinrich“ an.

[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Hoffmann_von_Fallersleben#Berufsleben (aufgerufen am 11.04.2011).

[9] http://www von-fallersleben.de/biographisches-51.html (aufgerufen am 15. 04. 2011).

[10] Ludwig Denecke, Die „Bonner Burschenlieder“ von 1819, gesammelt und herausgegeben von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, „in: Studentenverbindungen und Verbindungsstudenten in Bonn, Haltern 1989, S. 45 -52, hier S. 47.

[11] Eduard Weber, Bonner Burschenlieder, Bonn 1819, S. 19.

[12] Bodsch (wie Anm. 4), S. 31.

[13]  Hans Gerhardt, Hundert Jahre Bonner Corps, Die korporationsgeschichtliche Entwicklung des Bonner SC von 1819 – 19 I`8, Frankfurt am Main 1926, S. 32; vgl. Otto` Oppermanns, Die Burschenschaft Alemannia zu Bonn and ihre Vorläufer. Geschichte einer deutschen Burschenschaft am Rhein. Erster Band 1814 – I890, Bonn 1925, S. 55.

[14]So trugen die Westfalen grüne halbleinene Röcke und schwarz-weiß geflochtene kleine Strohhüte mit grünem Band und einem grünweißen Blumensträußchen darauf; im Winter schwarzen Astrachan mit grünem Obereinsatz und einer silbernen Agraffe darauf.  Aber diese entging den Häscheraugen der Pedelle und dem Verdikt des gestrengen Salomon nicht und mußte beseitigt werden.“ Karl Schorn, Lebenserinnerungen, Bd. 1, Bonn 1898, S. 56.

[15] Ingrid Bodsch, Karl Marx und Bonn 1835/1836 und 1841/1842, in: Dr. Karl Marx. Vom Studium zur Promotion. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung des StadtMuseums Bonn in Kooperation mit dem Archiv der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hrsg. von Ingrid Bodsch, Bonn 2012, S. 9 – 28, hier S. 18 -21.

[16] http://www die-corps.de/Alle echts_oder_was.167.O.html (aufgerufen am 13.04.2011).

[17] Gerhardt, (wie Anm. 10), S. 87.

[18] Anton Velten, Medicinische Topographie des Kreises Bonn von Dr. Anton Velten, Eine Beschreibung von Land und leuten um 1825, Hg. von Dieter Körschner, Bonn,1988, S. 205.

[19] Ebd., S.177.

[20] Schott (wie Anm. 1), S. 27.

[21] Heinz Schott und Gerd Schubring, Bonn – Wissenschaftsstadt am Rhein, in Nachrichtenblatt der Deutschen Gesellschaft für Medizin, Naturwissenschaft und Technik e. V., Hg. vom Vorstand der Gesellschaft 35 (1995) Heft 1, S. 8 ff.

[22] Wie Anm. 18.

[23] Wilhelm Haberling, Johannes Müller, Das Leben eines rheinischen Naturforschers, Auf Grund seiner Quellen und seiner Briefe dargestellt, Leipzig 1924, S. 37.

[24] Johannes Müller, De respiratione foetus, commenttio physiologica […], Leipzig 1823.

[25] Johannes Müller, Von dem Bedürfnis der Physiologie nach einer philosophischen Naturbetrachtung vom 19. Oktober 1824, in: Adolf Meyer-Abich (Hg.), Biologie von Goethe und den großen Naturforschern seiner Zeit […], Stuttgart 1949, S. 269 f.

[26] Haberling (wie Anm. 16), S. 59.

[27] Wilhelm von Humboldt, Ueber die mit dem Königsbergischen Schulwesen vorzunehmenden Reformen [1809], in: Albert Leitzmann (Hg.), Wilhelm von Humboldts Werke (Wilhelm von Humboldts gesammelte Schriften, Bd. 13), Berlin 1920.