Die Anfänge der Rhein-Universität 1818-1870 (2018)

Im Rahmen der Präsentation der Festschrift „Geschichte der Universität Bonn 1818-2018“ am 15. Oktober 2018 im Festsaal der Universität hielt ich den Kurzvortrag

Die Anfänge der Rhein-Universität 1818-1870.

Im Folgenden zunächst das Programm, anschließend mein Redemanskript sowie die gezeigte PPT-Folie, auf die ich mich eingangs beziehe. 

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Das Programm der Veranstaltung am 15.10.2018 im Festsaal der Universität Bonn

Magnifizenz, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Vorab möchte ich mich bei Frau Rafaela Hiemann, die seit kurzem Zimmer heißt, sowie bei Herrn Dr. Thomas Becker für die unverzichtbare Unterstützung beim Verfassen meines Beitrags zur Festschrift herzlich bedanken.

Springen wir mitten hinein ins volle Studentenleben (Folie). Sie sehen in der Mitte das fröhliche Treiben der „Trierer Tischgesellschaft“, die sich später „Corps Palatia“ nannte. Man kann die Rheinromantik im Hintergrund erahnen. Bei der Frau, die links unten zu sehen ist, handelt es sich sicher nicht um eine Studentin, denn das Vollstudium von Frauen war in Bonn erst ab 1908 möglich. Unterhalb des roten Punkts ist der weltweit (eingedenk Chinas) bekannteste Bonner Student zu sehen: Karl Marx, der in diesem Jahr ebenfalls 200. Geburtstag hat. Rechts oben sehen sie ein Bleistiftporträt des 17jährigen Studenten, das erst kürzlich entdeckt wurde und jetzt in Trier ausgestellt ist. Marx musste wegen „nächtlichen Lärmens und Trunkenheit“ eine Nacht im Karzer verbringen. Für solche Bestrafungen der Studenten war der Universitätsrichter Salomon zuständig (links oben), der hier als Salamander karikiert wurde. In Bonn etablierten sich rasch Studentenverbindungen, so genannte Burschenschaften und Landsmannschaften. Es sei daran erinnert, dass Hoffmann von Fallersleben bereits 1819 als Bonner Burschenschafter die „Bonner Burschenlieder“ herausgab. Im selben Jahr kam es, als Reaktion auf die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch einen Burschafter zur sog. Demagogenverfolgung. Die restaurativen Regierungen im Deutschen Bund versuchten, Aktivitäten von nationalrevolutionären, freiheitlich gesinnten Studenten und Professoren – in Bonn wäre vor allem Ernst Moritz Arndt zu nennen – zu unterdrücken.

Was war nun die Ausgangssituation der Universitätsgründung vor 200 Jahren? Nach dem Wiener Kongress erhielt Preußen die Rheinlande zugesprochen, fortan als Preußische Rheinprovinz bezeichnet. Die Regierung in Berlin hatte gemäß der Konzeption Wilhelm von Humboldts 1810 in Berlin und 1811 in Breslau eine Reformuniversität eingerichtet. Die dritte sollte in der Rheinprovinz etabliert werden, und zwar nicht in Köln, wo man aus konfessionellen Gründen Unruhen befürchtete, sondern in dem beschaulichen, ruhigen Städtchen Bonn. Von Anfang an wollte man eine Volluniversität etablieren. So war die heutige Fakultätsstruktur bereits damals angelegt: Zwei theologische Fakultäten, eine juristische, eine medizinische und eine auch die naturwissenschaftlichen Disziplinen umfassende philosophische Fakultät, von der sich erst 1936 die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät abspaltete. Die bereits 1847 gegründete Landwirtschaftliche Lehranstalt in Poppelsdorf wurde schließlich 1934 als Fakultät in die Universität integriert.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“ Das gilt, wie ich meine, in besonderer Weise für die neugegründete Bonner Universität. Exakte Naturbeobachtung, experimentelle Naturforschung und romantische Naturphilosophie verbanden sich zu einer kreativen Atmosphäre der Forschung und Lehre, wobei Goethe gewissermaßen als Leuchtturm anvisiert wurde, wie man bei dem Physiologen Johannes Müller und dem Botaniker Christian Gottfried Nees von Esenbeck, dem Begründer des Botanischen Gartens, sehen kann. Die naturwissenschaftlichen Disziplinen standen mit denen der Medizinischen Fakultät in regem Austausch – es sei hier an die „Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn“ erinnert, auf deren Sitzung am 4. Februar 1857 etwa der Neandertaler Schädelfund erstmals wissenschaftlich diskutiert wurde. Ebenso kamen in den Geisteswissenschaften („Buchwissenschaften“) in dieser Atmosphäre innovative Impulse zum Tragen. Beispielhaft sei hier auf den Literaturhistoriker und Altphilologen August Wilhelm Schlegel verwiesen, eine legendäre Gestalt der Frühromantik, der 1818 auf den ersten Lehrstuhl für Indologie nach Bonn berufen wurde und zu dessen Hörern neben vielen anderen Heinrich Heine und Karl Marx gehörten. Ich kann hier nur soviel sagen: Das Aufblühen der Geisteswissenschaften war dem der Naturwissenschaften sicher ebenbürtig.

Die Revolution 1848/49 machte sich auch an der Universität Bonn bemerkbar. Studenten und Dozenten beteiligten sich an der demokratischen Bewegung, wobei Gottfried Kinkel, apl. Professor für Kunst- und Literaturgeschichte, zur Symbolfigur wurde. Doch auf diesen spannenden, wenngleich relativ erfolglosen Versuch der politischen Emanzipation kann ich hier nicht eingehen. Für die Geschichte unserer Universität wichtiger war der konsequente Ausbau der Universität und die Ausdifferenzierung der Fächer nach der Jahrhundertmitte. So hatte beispielsweise von 1855 bis 1858 Hermann von Helmholtz noch den Lehrstuhl für Anatomie und Physiologie inne, der nach seinem Weggang aufgespalten wurde. Bis 1870 hatte sich Bonn zu dem entwickelt, was wir heute wahrscheinlich als Eliteuniversität bezeichnen würden – damals noch ohne Exzellenzcluster und Exzellenzstrategie.

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Die projizierte Folie, auf der sich der Text eingangs bezieht

Anmerkung vom 17.10.2018:

Die Uni Bonn hat auf ihrer Homepage („News“) einen Bericht über die Präsentation der Festschrift publiziert.

Der Bericht von Rüdiger Franz im General-Anzeiger vom 17.10.2018 geht näher auf die Redebeiträge der einzelnen Referenten ein. Zu meinem Beitrag findet sich folgende Passage:

„Damit war der Reigen für die Referenten eröffnet, die sich am Montag auf ein winziges Exzerpt ihrer aufwendigen Kernbohrungen beschränken mussten. So blätterte Medizinhistoriker Heinz Schott das Familienalbum auf und präsentierte einen jungen Jurastudenten, der als Mitglied des heutigen Corps Palatia unbekümmert den Bonner Karzer kennengelernt hatte: Ein gewisser Karl Marx, und nur einer unter all den Zahllosen, die nach dem Studium in Bonn einen großen Namen trugen.“